Österreichischer Entsorgungsbeirat für Recherche in Frankreich
Anfang September 2022 reiste eine Delegation des Entsorgungsbeirats nach Troyes in Frankreich, um sich mit der französischen Behörde auszutauschen sowie Einblicke in das französische Endlager für schwach- und mittelradioaktive Abfälle (LLW: low level waste) und das Endlager für sehr schwach radioaktive Abfälle (VLLW: very low level waste) zu erhalten. Auch Gespräche mit Vertreter:innen der lokalen Bürgervertretung standen am Programm.
Die französische Betreibergesellschaft für die Konditionierung (so nennt man die Aufbereitung und Verpackung radioaktiver Abfälle für eine längere Zwischenlagerung) und Lagerung radioaktiver Abfälle ANDRA (Agence Nationale pour la Gestion des Déchets Radioactifs) gab einen ersten Überblick über die verschiedenen Endlager und die Rechtsgrundlagen sowie die Beteiligung der lokalen Bevölkerung. Danach gab es Führungen durch die beiden Endlager Cires und CAS.

Cires – Endlager für sehr schwach radioaktiven Abfall)
Die Anlage ist seit 2003 in Betrieb und für 650.000 m3 radioaktiven Abfall (VVLW) bewilligt. Hier wird der Abfall in 8,5 m tiefen und 100 m langen Graben gelagert. Diese werden mit Abfall befüllt, bis sie 6 m über Grund sind. Die Gräben sind in einer Tonschicht gebaut (passive Barriere) und mit einer wasserdichten Geomembran abgedichtet (aktive Barriere). Sobald sie gefüllt sind, werden sie auch an der Oberfläche mit einer Geomembran abgedichtet und das Lager wird renaturiert.
CAS – Endlager für schwach- und mittelradioaktive Abfälle mit kurzen Halbwertszeiten (LILW-SL)
Hier werden LILW-SL-Abfälle aus Forschung, Medizin, Universitäten und von Dekommissionierungsprojekten (Stilllegung) behandelt und endgelagert. Das Lager hat eine Kapazität von 1.000.000 m3 und ist derzeit zu 35,3 % gefüllt. Der Abfall wird in Fässern konditioniert (1. Barriere), die dann in Betonquader von rund 25 m x 25 m x 25 m gestellt werden. Die Zwischenräume werden mit Beton gefüllt (2. Barriere). Sobald die Quader gefüllt sind, werden sie mit Erde aufgeschüttet (3. Barriere).
CLI (commissions locales d’information) – lokale Informationskommission
Die CLI hat den Auftrag, die Öffentlichkeit über die Sicherheit zu informieren sowie die Auswirkungen der Aktivitäten der Anlage auf Mensch und Umwelt zu überwachen. In Frankreich ist in jedem Bezirk eine CLI installiert. Sie ist der Ansprechpartner der Bevölkerung zu Umweltfragen und darf selbstständig Studien und Gutachten vergeben. Die unabhängige Organisation bekommt von der ANDRA alle Informationen zum Thema radioaktiver Abfall. Diese werden von der CLI für die Öffentlichkeit aufbereitet, sodass sie für die Allgemeinheit gut verständlich sind. In Gesprächen hat die Delegation des Entsorgungsbeirats erfahren, dass es in den Regionen der Endlager in der Bevölkerung kaum Ablehnung gibt.
Der Entsorgungsbeirat konnte viele neue Erkenntnisse gewinnen und Input für seine Arbeit mitnehmen, wie etwa die Wichtigkeit einer verständlichen Kommunikation mit der Öffentlichkeit und eine gut durchdachte Öffentlichkeitsbeteiligung. Interessant war außerdem das Konzept der lokalen CLIs. Diese sind keine klassische NGO, auch kein staatliches Organ, aber als Begleitung und Öffentlichkeitsbeteiligung vorgeschrieben.
Verglichen mit der Menge des französischen Abfalles ist die Menge des österreichischen Abfalls sehr gering. Der gesamte österreichische Abfall würde in einen Graben bzw. in einen der Betonquader passen.
Österreichischer Entsorgungsbeirat besucht geplantes Endlager für radioaktive Abfälle in Deutschland Von den Nachbarn lernen: Eine Delegation des Entsorgungsbeirates besuchte von 13. bis 15. Juni 2022 die Schachtanlange Konrad im niedersächsischen Salzgitter.

In Salzgitter entsteht Deutschlands erstes nach deutschem Atomrecht genehmigte Endlager für schwach- und mittelradioaktive Abfälle. Bei der Schachtanlage Konrad handelt es sich um ein ehemaliges Eisenerzbergwerk, das unter der Leitung der Bundesgesellschaft für Endlagerung mbH (BGE) zum Endlager umgebaut wird. Ab 2027 sollen hier etwa 303.000 Kubikmeter schwach- und mittelradioaktive Abfälle aus Kernkraftwerken und Betrieben der kerntechnischen Industrie eingelagert werden. Zum Vergleich: In Österreich werden bis 2045 ca. 3.660 Kubikmeter schwach- und mittelradioaktive Abfälle zur Entsorgung anfallen.
Zahlen, Daten, Fakten zum Schacht Konrad
Wie viele Menschen braucht es, um ein Endlager für radioaktive Abfälle zu bauen und wie viel kostet das Vorhaben? Im Schacht Konrad sind 600 Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen und bis zu 300 Leiharbeiter und Leiharbeiterinnen beschäftigt. Bis 2027 fallen 4,2 Mrd. Euro an Kosten für die Errichtung des Schachts Konrad an. Danach werden jährliche Kosten von 80 Mio. Euro erwartet.
Entsorgungsbereit in den Tiefen des Schachts Konrad
Für die Delegation des Entsorgungsbeirates begann die Besichtigung mit einer Fahrt ins Erdinnere. In Schutzanzügen erkundeten die Mitglieder den bis zu 1200 m tiefen Schacht. Die Temperaturen im Schacht klettern auf bis zu 30 Grad. Die Schachtanlage misst eine Länge von ca. 30 km und erstreckt sich über mehrere Sohlen (die Sohlen eines Bergwerkes können als einzelne Stockwerke bezeichnet werden). Derzeit werden die Sohlen 1, 2 und 3 der Schachtanlage zu einem Endlager umgebaut. Die Arbeiter:innen errichten dazu die Transportstrecken und Einlagerungsfelder für die fertig konditionierten Abfallgebinde. Die Einfüllstollen, durch die die Abfälle in den Schacht eingebracht werden, werden eigens aufgefahren.

Im Anschluss an die Besichtigung des Schachts kam es zum Austausch zwischen der Delegation des Entsorgungsbeirates, dem Geschäftsführer der BGE, Stefan Studt, dem Projektleiter von Konrad, Peter Duwe und Johannes Schneider von der Infostelle KONRAD. Besprochen wurden unter anderem die Herausforderungen beim Bau eines Endlagers und die Geschichte der Genehmigung für die Errichtung: Im Jahr 2002 wurde das Vorhaben mittels Planfeststellungsbeschlusses genehmigt. 2007 bestätigte das Bundesverwaltungsgericht die Genehmigung und der Bau konnte beginnen. Der Schacht Konrad soll 2027 in Betrieb gehen. Nach dem Ende des Betriebs werden die Hohlräume des Schachts verschlossen. Weder die Rückholbarkeit noch die Bergbarkeit der radioaktiven Abfälle ist geplant.

Die österreichische Delegation besuchte außerdem die „Informationsstelle Konrad“ in Salzgitter. Dort erhielten die Teilnehmer und Teilnehmerinnen der Exkursion Informationen über das Endlager sowie über die Öffentlichkeitsarbeit der BGE.
Den Abschluss des ersten Exkursionstages bildete ein Treffen mit der Arbeitsgemeinschaft Schacht Konrad. Dabei handelt es sich um eine regionale Initiative, die sich kritisch mit den Endlagern für radioaktive Abfälle in der Region auseinandersetzt – neben der Schachtanlage auch mit dem Endlager Morsleben und der Schachtanlage Asse.

Wie kann die Kommunikation mit der Öffentlichkeit und die Beteiligung dieser an den verschiedenen Endlagerverfahren gelingen? Darüber diskutierten die Exkursionsteilnehmer und Exkursionsteilnehmerinnen mit Dagmar Dehmer, Leiterin der Unternehmenskommunikation des BGE.
Die Mitglieder des Entsorgungsbeirates blicken auf zwei spannende Tage zurück. Die Exkursion brachte frisches Wissen über die Entsorgung radioaktiver Abfälle und neue Inputs für die Arbeit des Beirates.
„Die Exkursion nach Salzgitter, war unglaublich informativ! Die Perspektiven der unterschiedlichen Akteure und Akteurinnen haben mir geholfen, mein Verständnis zu den notwendigen Prozessen zu erweitern. Die Befahrung des Schachts war ein absolutes Abenteuer und ein Eintauchen in eine mir bis dahin nicht bekannte Welt“, so Silvia Benda-Kahri, Vorsitzende des Entsorgungsbeirates, über die Exkursion.